Sie verspotteten die Polizei, zündeten die Schule an und waren hart wie Marmelade. Sie ließen auf Partys den Flieger abheben, beschworen die Wonnen der Kleptomanie und die Abgründe des Kokains: Ende der 1970er entdeckten ein paar Jungs aus Hagen die Schönheit der 3-Minuten-Gitarrenhymne mit rotzig-subversiven Texten und eroberten bald darauf damit die Charts: Extrabreit, die Erfinder des deutschen Pop-Punks.
Die Liste ihrer Hits ist fast so lang wie ihre Karriere: Den Erfolgen der frühen 1980er folgten später ironische Rock-Hymnen wie „Ruhm“ oder „Joachim muss härter werden“ sowie die legendären Duette mit Hildegard Knef („Für mich soll’s rote Rosen regnen“) und Harald Juhnke („Nichts ist für immer“). Und immer wieder schafften sie den Spagat zwischen melodischen Punk-Krachern wie „Jeden Tag, jede Nacht“ und hypnotischen, psychedelisch-angehauchten Heavy-Nummern wie „110“ oder „Der Präsident ist tot“, aber auch lakonischen Balladen wie „Junge wir können so heiß sein“ oder „Besatzungskind“.
Nun ist es ja kaum möglich, bei der Beschreibung des Phänomens Extrabreit ohne das böse N-Wort auszukommen. Die von der bundesdeutschen Plattenindustrie spät aber dafür umso reißerischer und skrupelloser ausgerufene Neue Deutsche Welle hatte die zu dieser Zeit schon seit drei Jahren existierende Pub Rockband mit sich gerissen und ihr zweifellos in einer zwei Alben währenden Phase ein exorbitant großes Publikum vor die Marshalltürme geworfen. Was einen gar nicht zu vermeidenden erfolgsmäßigen Sturzflug bis hin zum scharenweisen Liebesentzug zur Folge hatte, an dem die Band aber nicht annähernd so hart zu knuspern hatte wie an dem NDW-Stempel selber und dem weitverbreiteten Eindruck, es handele sich um ein Relikt aus dieser regelmäßig auf Aprés-Ski-Niveau abgefeierten Zeit. Das hat die Band durch Besinnung auf ihre Identität als Live-Combo überlebt.
„Auf Ex“, das 2020 erschienene Studioalbum wurde aufgenommen und produziert im Backyard/Schallsucht-Studio Hagen – und Hagen spielt hier sogar eine größere Rolle, als das bei den Texten des Wahl-Hamburgers Kai Havaii früher der Fall war: „Da wo ich geboren bin / zieht es keine Hipster hin / … wo man hinschaut zerbrochene Träume“. So gab es den Opener „Die Fressen aus dem Pott“ vorab als Single. „Wir werden nicht in Schönheit sterben und diese auch niemals vererben / Wir sind die Fressen aus dem Pott, so gemacht vom lieben Gott …“ Selbstreflektierendes wie „Vorwärts durch die Zeit“, wo das Altern als Band oder Privatperson so nonchalant thematisiert wird, wie es eben genau dieser Havaii‘sche Tonfall hergibt, wird hier niemals schwülstig, da der Sänger es schafft, Positives wie Negatives gleichzeitig zu empfinden und das auch noch in ein paar Four-To-The-Floor-Zeilen zu transkribieren.
EXTRABREIT
Das Konzert wurde ins Capitol hochverlegt.
Auf MusikZentrum ausgestellte Tickets bleiben gültig.
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