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Allein mit den Scorpions – Wenn Rockgeschichte auf Heimatgefühl trifft

Samstagabend. Der Hannover Airport liegt still in der Dämmerung. Kein Mensch zu sehen. Keine Durchsagen. Nur das Summen der Lüftung, ein paar gedämpfte Schritte auf dem Bodenbelag, irgendwo in der Ferne das Rollen eines Koffers. Terminal B ruht. Und doch: Hier passiert etwas. Es vibriert, obwohl kein Flugzeug startet. Es lebt, obwohl kein Mensch spricht. Ich bin dort, wo der Takt meiner Jugend pocht. Allein mit den Scorpions. Und doch nicht allein.

Die Rockstage in der Abflugebene ist mehr als eine Ausstellung. Sie ist Begegnung. Ein Ort, der dich nicht anschreit, sondern tief in dir klingt. Und genau das macht diesen Moment so besonders: Diese Stille. Diese Würde. Diese Präsenz. Ich bin mitten in Hannover – und gleichzeitig in London, in Los Angeles, in Tokio. Denn genau hier begann der Weg, der die Scorpions zu einer der größten Rockbands der Welt machte. Und dieser Weg führte immer wieder zurück. Nach Hause. Nach Hannover.

Ein Hannoveraner mit Herzklopfen

Ich bin in dieser Stadt geboren. Hier habe ich mein erstes Rockshirt getragen, meine erste Eintrittskarte fest umklammert. Ich bin durch Jahrzehnte von Musik getragen worden – zwischen Capitol, Kulturzentrum Faust, Musikzentrum, Niedersachsenstadion, ZAG Arena, Pavillon und Fährmannsfest. Hannover war immer Bühne. Nicht laut, aber ehrlich. Nicht aufdringlich, aber intensiv. Und mittendrin: die Scorpions. Sie waren nie nur irgendeine Band – sie waren unsere Band. Die, die es rausgeschafft haben. Und die, die zurückgekommen sind.

Wenn ich an die Scorpions denke, denke ich nicht nur an Stadionlichter, Bühnenfeuer und Fanschlangen. Ich denke an Emotionen, an Momente, an den Soundtrack meines Lebens. „Still Loving You“ bei Sonnenuntergang auf dem Expo-Gelände. „Rock You Like a Hurricane“ in voller Lautstärke aus dem Autoradio, als wir damals aus der City Richtung Maschsee fuhren. Und „Send Me an Angel“ – ganz leise – als nichts mehr passte, aber Musik half.

Ich erinnere mich, wie ich als Teenager mit Kopfhörern auf dem Fahrrad durch den Georgengarten fuhr, „The Zoo“ auf Kassette im Walkman, und ich mich wie auf Tour mit ihnen fühlte. Die Scorpions waren nie nur Stars da draußen – sie waren immer auch irgendwie Nachbarn, Vertraute, Verbündete. Und das spürt man in dieser Ausstellung mit jeder Note.

Eine Rockstage mit Charakter

Die Ausstellung im Terminal ist kein Museum. Sie will nicht protzen. Sie will nicht beeindrucken. Und genau deshalb beeindruckt sie. Keine Glasvitrinen mit überinszenierten Devotionalien, sondern Original-Gitarren, ein Drumkit, Fotos, Bildschirme mit Tourvideos, Konzertmitschnitten und Statements der Band. Alles ist reduziert auf das Wesentliche – ehrlich, direkt, authentisch. Wie die Band selbst.

Und du kannst sie nicht verpassen. Überall im Flughafen begegnet dir Rockgeschichte. Überdimensional große Banner zeigen die ikonischen Alben der Band mit den jeweiligen Erscheinungsjahren, von „Lovedrive“ über „Blackout“ bis „Rock Believer“. Bodenaufkleber ziehen sich wie ein musikalischer Wegweiser durch die Terminals. Selbst wenn du nur auf dem Weg zum Gate bist, nimmst du einen Hauch Rock’n’Roll mit – ganz automatisch. Hannover ist nicht nur Drehkreuz, sondern Bühne geworden.

Und wenn du dann dort stehst, bleibt die Welt stehen. Kein Boardingruf, keine Duty-Free-Düfte, kein „Final Call“. Nur du, deine Gedanken – und der Sound einer Band, die den Globus erobert hat, aber nie vergessen hat, wo sie herkommt. Aus Hannover. Aus dieser Stadt. Von diesem Flughafen.

60 Jahre, ein Leben voller Musik

Die Scorpions feiern 2025 ihr 60. Bandjubiläum. Sechs Jahrzehnte, in denen sie nicht nur Musik gemacht haben – sie haben Geschichte geschrieben. Ihre Songs liefen bei Maueröffnungen, Friedensgipfeln und Boxkämpfen. Sie waren auf der Bühne, als sich die Welt veränderte. „Wind of Change“ war mehr als eine Ballade – es war ein Soundtrack des Umbruchs. Und bis heute gibt es keine andere deutsche Band, deren Musik auf so vielen Kontinenten Stadionhymne, Stadionträne und Soundtrack für Generationen zugleich war.

Und das Beste: Diese Geschichte ist noch nicht zu Ende. Sie bekommt ein neues Kapitel. Ein großes. Ein lautes.

Das Heimspiel der Herzen

Am 5. Juli 2025 kehren die Scorpions zurück. Nicht einfach auf irgendeine Bühne. Sondern dorthin, wo alles begann – in ihre Heimatstadt Hannover. In die Heinz von Heiden Arena, das altehrwürdige Niedersachsenstadion. Eine Location, die nicht nur Fußballgeschichte schrieb, sondern auch Musikgeschichte. Ich habe hier AC/DC gesehen, Guns N’ Roses, Metallica und viele weitere Legenden live erlebt – doch für die Scorpions ist es tatsächlich das erste Mal, dass sie in der „Schüssel“ am Maschsee spielen dürfen. Ein Heimspiel – aber eben auch eine Premiere.

Und während ich in der Rockstage stehe, den Moment förmlich einsauge und den Blick schweifen lasse, weiß ich: Es wird wieder passieren. Dieses Kribbeln. Dieses Beben. Diese Gänsehaut, wenn der erste Akkord durchs Stadion rollt.

Ein Rückblick auf große Bühnen

Die Scorpions haben überall gespielt. Und wenn man sagt überall, dann meint man das auch so. 1989 in Moskau, vor über 300.000 Menschen beim „Moscow Music Peace Festival“, wo sie Seite an Seite mit Bon Jovi, Ozzy Osbourne und Mötley Crüe spielten – ein Ereignis, das mehr war als Rockmusik. Es war ein Aufbruch. Ein historisches Beben.

2001 in Rio de Janeiro, beim Rock in Rio, als 250.000 Fans jedes Wort kannten. Oder Wacken Open Air 2006, wo sie gemeinsam mit Uli Jon Roth, Michael Schenker und Hermann Rarebell ihre frühen Songs neu aufleben ließen. 2001 beim MTV Unplugged in Athen, als selbst härteste Fans Tränen verdrückten. Und zuletzt ihre Residenz in Las Vegas, wo sie zeigten, dass deutscher Rock nicht verblasst – sondern mit Würde altert und noch immer lodert.

Der erste Moment of Glory

Es ist nicht das erste Mal, dass Hannover Gastgeber eines unvergesslichen Scorpions-Moments wird. Schon im Juni 2000, zur EXPO, spielten die Scorpions gemeinsam mit den Berliner Philharmonikern zwei große Special Shows in der Arena an der EXPO Plaza – für Hannover, in Hannover, mit Hannover. Es war ein Abend voller Magie, voller Stolz – ein echter „Moment of Glory“ für Band und Stadt. Und genau dieser Spirit lebt nun wieder auf. 25 Jahre später. Nur größer. Lauter. Emotionaler.

Ein Flughafen bekennt sich – und das grandios

Dass der Hannover Airport sich so klar zu den Scorpions bekennt, ist kein PR-Stunt. Es ist eine Liebeserklärung. In Zusammenarbeit mit der UNESCO City of Music, Hannover Concerts und dem städtischen Kulturbereich wurde ein Ort geschaffen, der Geschichte erzählt – nicht durch Zahlen, sondern durch Emotionen. Scorpions-Motive prägen das Terminalbild, ein eigens gestalteter Messestand wird Hannover bei der Routes Europe in Sevilla vertreten – und überall im Gebäude ist spürbar: Hier geht es nicht nur um Abflüge, sondern um Ankommen. Um Identität. Um Haltung.

Die Rockstage ist nicht einfach irgendein Flughafenprojekt. Sie ist ein Versprechen. Ein Denkmal. Eine Verbeugung. Und sie zeigt, dass Musik weit über Plattencover hinaus Bedeutung hat – weil sie in dieser Stadt gelebt wird.

Ein Vermächtnis, das lebt

Was bleibt nach dem Besuch auf der Rockstage? Eine Menge. Stolz. Wehmut. Vorfreude. Ich habe die Ausstellung langsam verlassen, bin ein zweites Mal zurückgegangen. Noch einmal die Flying V ansehen. Noch einmal die Konzertbilder wirken lassen. Noch einmal lauschen.

Denn dort draußen, irgendwo im Dunkel des Terminals, schwebt er weiter – dieser Klang. Dieses Gefühl. Dieser Ruf, den nur Musik in einem auslöst. Die Stimme, die sagt: „Komm zurück. Sing mit. Sei dabei.“

Eine Stadt. Eine Band. Eine Geschichte.

Die Scorpions Rockstage ist kein Ort für Massen. Sie ist ein Raum für Erinnerungen. Für Verbindungen. Für alle, die wissen, was es bedeutet, wenn Musik nicht nur Hintergrund, sondern Haltung ist. Für alle, die sich noch an ihr erstes Rock-Konzert erinnern. Für alle, die mit der Faust in der Luft ihre Stimme verloren haben – für ein Gitarrensolo, für ein Refrain, für einen Moment. Und für alle, die wissen: Musik ist nicht das, was du hörst – sondern das, was du fühlst.

Ich war allein dort. In Terminal B. Mit meinen Erinnerungen. Mit meinem Stolz. Mit meiner Stadt. Und ich wusste: Wir sehen uns. Am 5. Juli. In Hannover. Und wir rocken – like a hurricane.

Denn dieser Abend wird größer als jede Rockshow. Es wird ein Statement. Für eine ganze Generation, die mit dem Sound der Scorpions aufgewachsen ist. Für Eltern, die ihre Kinder an der Hand nehmen, um ihnen zu zeigen: „Schau, das ist echte Musik.“ Für Menschen, die bei „Holiday“ Tränen in den Augen haben. Für all die, die im Stadion zum ersten Mal wieder spüren, wie viel ein Refrain bedeuten kann.

Vielleicht werden sie „Catch Your Train“ spielen. Vielleicht „No One Like You“. Vielleicht wird Klaus Meine uns zum Mitsingen auffordern, und 45.000 Kehlen werden sich erheben, als wären sie nie weg gewesen. Vielleicht wird es regnen, vielleicht wird die Sonne untergehen wie damals bei der EXPO. Ganz egal. Denn dieser Abend ist bereits jetzt unsterblich – weil er das krönt, was diese Band ausmacht: Leidenschaft, Ausdauer, Heimatliebe und den Mut, niemals leiser zu werden.

Und wenn der letzte Ton verklingt und das Licht langsam ausgeht, dann wird ganz Hannover wissen: Das hier war nicht nur ein Konzert. Es war eine Verneigung vor der Musik, vor einer Ära – und vor einer Stadt, die nie aufhört, an ihre Helden zu glauben.