Am Samstag ist das Wetter sich noch unsicher, was es will. An diesem Punkt ist von extremen Sonnenbränden bis zu leichten Erfrierungen alles im Publikum vertreten.
Trotzdem ist das Rockharz bereits um 11.20 zu Storm Seeker hellwach und eifrig am Mitklatschen. Der zweite Act Thomsen hat etwas Schwierigkeiten, die aufgebaute Energie zu halten und verliert einige Metaller an eine späte Frühstückspause. Die Nordrhein-Westphalen Obscurity ziehen mit Songs wie „Schicksal der Götter“ die Fans wieder vor die Bühne. Aufgrund anfänglicher technischer Schwierigkeiten überziehen die Metaller einige Minuten, bis ihnen der Saft abgedreht wird. Schade! Auf der anderen Seite sollen natürlich April Art nicht unter der Verspätung leiden müssen, die komplett in rot das Festival zum „Rocksport“ überreden wollen und auf der Bühne fleißig selber vorturnen und springen.
Wie ihre Vorgänger haben auch Ad Infinitum wieder Female Fronted Power dabei, sodass es an jedem Festivaltag mindestens eine Female Fronted Band gab – you go, girls! Auch die Ungarn Ektomorf mit ihrem Gemisch aus Thrash Metal und Hardcore zeigen eine unglaubliche Energie auf der Bühne, die das Publikum sofort mitreißt. Tankard lassen sich nichts vormachen und knüppeln direkt weiter. Die Frage „Habt ihr Bock auf ein bisschen Thrash Metal von alten Säcken?“ kann mit einem klaren JA beantwortet werden. Bei Unleashed nimmt der Wind den Song „Lead Us Into War“ etwas persönlich und beginnt sogleich den Kampf gegen das Backdrop, den dieses nur knapp gewinnt, den Auftritt aber zum Glück übersteht – vorerst.
Insomnium haben scheinbar kapituliert und treten ihren Auftritt ohne Backdrop an. Durch den nicht abreißen wollenden Strom an Crowdsurfern zu „Pale Morning Star“ und das ikonische Kätzchenshirt vom Gitarristen gelten sie für den heutigen Tag trotzdem als klarer Sieger. Die folgenden Betontod sind vom Spaßniveau her das perfekte Knorkator-Aufwärmprogramm. „Glück Auf!“ und „Küss mich“ dürfen natürlich nicht fehlen und bringen das Malle-Feeling direkt nach Ballenstedt. Vorerst geht es allerdings mit den Thrash-Metallern Exodus weiter, die das Malle-Feeling ungerührt kurz und klein thrashen. Auch Testament brettern voller Energie los, bis irgendwann in der Mitte der Ton einfach komplett ausfällt und auch weiterhin etwas Probleme macht. Die Amerikaner lassen sich davon aber nicht verunsichern, sondern ziehen einfach durch wie die Profis, die sie sind.
Dann ist es Zeit für Knorkator, die wie immer einen großartigen und unterhaltenden Auftritt liefern. Anstatt einzelne Fotografen im Fotograben zu haben, bittet Sänger Stumpen kurzerhand alle Fotografen auf die Bühne und danach singt das ganze Rockharz voller Inbrunst „Alter Mann“. Auch singen tut Stumpens Tochter Agnetha, die nicht nur durch ihre klare, schöne Stimme, sondern auch durch beachtliche Headbanging-Skills überzeugt. Auch Eisbrecher halten mit ihrem aufwändigen Bühnenaufbau und Kunstschnee zu „Eiszeit“ die Aufmerksamkeit des Publikums mühelos. Das sogar so sehr, dass Sänger Alexander Wesselsky den Mangel an Handys und Mitfilmern im Publikum lobt. „Man schaut wieder mit den Augen und speichert mit dem Herzen.“ – Ganz genau!
Vor dem letzten Headliner des Festivals kommt die übliche Orga-Ansage vom Rockharz-Veranstalter, der sich bei allen bedankt und schon einmal eine gute Heimreise und weiterhin viel Spaß wünscht. Den hat das Publikum mit Accept auf jeden Fall, die Heavy-Metal-Urgesteine verstehen ihren Job und räumen ordentlich ab. Absolute Höhepunkt des Auftritts sind die letzten beiden Songs „Balls to the Wall“ und „I’m a Rebel“, die dem Publikum trotz der Erschöpfung am letzten Festivaltag noch einmal Höchstleistungen abverlangen.
Dass alle sich verausgabt haben merkt man beim After Headliner Eluveitie, die normalerweise für absolute Eskalation sorgen, aber aufgrund der späten Stunde und der vorhergehenden Erschöpfung heute etwas verhaltenere Reaktionen hervorrufen. Trotzdem ist der Auftritt der Schweizer, der auch der letzte Auftritt mit der Band von Drehleier-Spielerin Michalina Malisz ist, mit dem Einsatz von Feuerregen und Nebelmaschine etwas ganz Besonderes.
Das Rockharz 2022 war der perfekte Wiedereinstieg in die Festivalsaison. Durch die lange Durststrecke, die gewohnt gute Organisation des Festivals und das starke Line Up hat das Rockharz alle Fan-Herzen mit Hoffnung und (Vor-)Freude erfüllt. Immerhin; nächstes Jahr feiert das Festival 30 jähriges Jubiläum, man darf also einiges erwarten.