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Niedeckens BAP im Lokpark Braunschweig – Ein Abend auf Zeitreise

Es war ein Konzert, das mehr war als ein nostalgischer Rückblick, als Niedecken’s BAP und seine Band den Lokpark in Braunschweig zum Kochen brachten – mit einem Set, das tief in die frühen Achtziger eintauchte und zugleich bewies, wie zeitlos die Musik und Texte von BAP geblieben sind. Die Tour trägt nicht zufällig den Titel „Zeitreise Sommer ’25“: Im Zentrum des Abends standen die beiden Alben für usszeschnigge! und von drinne noh drusse, zwei Meilensteine aus der Anfangszeit der Band, die live mit einer spürbaren Mischung aus Spielfreude, Respekt und neuer Energie dargeboten wurden.

Ein Einstieg mit Gefühl und Gänsehaut

Noch bevor die ersten Live-Takte erklangen, legte sich ein Hauch von Ehrfurcht über das Gelände. Aus den Lautsprechern ertönte das Beatles-Stück „In My Life“ – ein musikalisches Intro vom Band, das keine vordergründige Showeinlage war, sondern ein stiller Fingerzeig auf das, was da kommen sollte: ein Abend voller Erinnerungen, gewürzt mit persönlicher Geschichte und künstlerischer Haltung. Der eigentliche Startschuss fiel dann mit „Diss Naach ess alles drin“, gefolgt von „Südstadt, verzäll nix“. Schon hier zeigte sich, dass das Publikum gekommen war, um nicht einfach nur zuzuhören – sondern um mitzuleben, mitzusingen, mitzugehen.

BAP in Bestform: Zwischen Wucht, Tiefe und Kante

Die Setlist ließ keine Wünsche offen – zumindest nicht für Fans der frühen BAP-Jahre. Songs wie „Waschsalon“, „Jupp“, „Müsli Män“ oder „Rita, mir zwei“ kamen mit Druck, Präzision und einem bemerkenswert aufeinander abgestimmten Bandgefüge. Wolfgang Niedecken präsentierte sich dabei als Sänger und Erzähler in Bestform – mit rauer Stimme, klarer Sprache und genau dem Maß an Selbstironie, das seine Texte seit jeher trägt. Doch zwischen all den rotzigen, treibenden Nummern gab es auch die andere Seite: „Kristallnaach“ etwa war nicht nur musikalisch ein Höhepunkt des Abends, sondern auch inhaltlich ein mahnendes Statement, das in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Kälte nichts von seiner Relevanz verloren hat.

Ein Publikum, das jedes Wort verstand

Besonders spürbar wurde die Verbindung zwischen Band und Publikum in den leisen Momenten. „Eins für Carmen un en Insel“ wirkte fast wie eine akustische Lagerfeuerszene – ruhig, ehrlich, nah. Und auch „Wellenreiter“ entfaltete seine Kraft nicht durch Lautstärke, sondern durch das kollektive Mitsingen der rund 3.000 Zuschauer, die jede Zeile verinnerlicht zu haben schienen. Diese stillen, fast andächtigen Passagen machten den Abend nicht etwa langsamer, sondern intensiver – sie gaben ihm Tiefe. Und sie zeigten: Hier stand keine Band auf der Bühne, die alten Ruhm verwaltet, sondern eine Formation, die sich mit jedem Takt neu erklärt.

Ein Finale mit langem Atem

Nach mehr als zweieinhalb Stunden regulärer Spielzeit hätte niemand böse reagiert, wenn der Abend an dieser Stelle geendet hätte. Doch Niedeckens BAP legten nach – und wie. Die Zugaben begannen mit „Frau, ich freu mich“ und steigerten sich mit „Do kanns zaubere“, „Anna“ und dem gewohnt hymnischen „Stell dir vüür“, das noch einmal alle Sinne öffnete. Und wer dachte, das sei nun das Ende, hatte sich getäuscht. Mit einem weiteren Block von vier Songs – „Wahnsinn“, „Häng de Fahn eruss“, „Jraaduss“ und dem versöhnlichen „Sendeschluss“ – verabschiedete sich die Band endgültig in die Nacht und hinterließ ein Publikum, das gleichermaßen erschöpft wie beseelt wirkte.

Ein Ort, der zur Bühne passte

Der Lokpark Braunschweig erwies sich einmal mehr als hervorragender Spielort für diese Art von Konzert. Die industrielle Kulisse, das offene Gelände und das durchweg angenehme Sommerwetter trugen ebenso zur Atmosphäre bei wie der klar abgemischte Sound und die unaufgeregte, aber stimmungsvolle Lichtgestaltung. BAP brauchen kein Spektakel, keine Pyrotechnik, keine Showtreppe – ihre Stärke liegt im Wort, in der Musik, in der Echtheit.

Ein Abend, der hängen bleibt

Was bleibt von diesem Abend? Ein Konzert, das Vergangenheit lebendig machte, ohne rückwärtsgewandt zu sein. Eine Band, die sich nicht auf dem Status einer Legende ausruht, sondern mit Erfahrung, Spiellust und Haltung auf die Bühne tritt. Und ein Publikum, das all das nicht nur beobachtete, sondern mittrug, mitfühlte, mitfeierte. Niedeckens BAP haben mit dieser Zeitreise nicht nur alte Songs ausgepackt – sie haben einen Abend geschaffen, der sich wie eine gemeinsame Erinnerung anfühlte. Und der – bei aller Rückschau – vor allem eines war: verdammt lebendig.