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Ghost live in Hannover: Ein düsteres Meisterwerk zwischen Ritual und Rockoper

Es war der 15. Mai 2025 – exakt drei Jahre nach ihrem letzten Auftritt an gleicher Stelle – als Ghost die ZAG Arena in Hannover erneut in eine Kathedrale des Okkulten verwandelten. Was sich an diesem Abend zwischen Licht und Dunkel, Andacht und Rock-Inszenierung, Klang und Kühle abspielte, war weit mehr als ein Konzert. Es war ein Ritual. Eine Messe in Moll. Und eine Erinnerung daran, was Live-Musik noch sein kann: Erlebnis. Entzug. Ekstase.

Rund 8.000 Fans strömten in die Arena – und wer an diesem Donnerstagabend dabei war, musste sich hingeben. Ohne Filter, ohne Ablenkung, ohne „mal eben posten“. Denn: keine Vorband. Keine blinkenden Smartphones. Die Devices wurden am Einlass versiegelt – und das erstaunlich reibungslos. Die Abgabe der Handys war für die meisten fast schon selbstverständlich. Auch die Rückgabe nach dem Konzert lief draußen vor der Halle tadellos organisiert ab.

Was auffiel: Die Atmosphäre war von Anfang an besonders. Vor der Show unterhielten sich die Leute – ein Bild, das man bei großen Konzerten kaum noch kennt. Immer wieder sah man Besucher, die fast nervös nach ihren Hosentaschen griffen, als könnten sie nicht glauben, dass das Handy tatsächlich fehlt. Und doch: Es war fast wie früher. Ungewohnt, ja – aber großartig.

Der Vorhang fällt – die Messe beginnt

Ganz sachte eröffnet „Klara stjärnor“, ein schwedisches Jazzstück von Jan Johansson, diesen besonderen Abend – gefolgt vom sakralen „Miserere mei, Deus“ von Gregorio Allegri. Zwei ungewöhnliche, kontemplative Intros im passenden musikalischen Stil, die den Rahmen setzen: Andacht statt Aufschrei.

Dann beginnt das neue Kapitel. Mit den ersten Akkorden von „Peacefield“ fällt der Vorhang. Die Bühne offenbart sich schlicht und wirkungsvoll – Licht, Nebel, Schatten. Und mittendrin: Papa V Perpetua, das neue Alter Ego von Tobias Forge.

„Lachryma“ folgt. Der neue Song vom aktuellen Album Skeletá wirkt wie ein Mantra, getragen und hypnotisch. Dann: „Spirit“ – die ersten klatschenden Hände schnellen in die Höhe, tausende Kehlen singen mit.

Mit „Faith“ und dem selten gespielten „Majesty“ folgen zwei tiefdunkle Kapitel der Ghost-Diskografie, bevor „The Future Is a Foreign Land“ neue Facetten aufzeigt. Die Show ist ein düsteres Theaterstück – und das Publikum wird Teil davon.

Ein Spiel zwischen Nähe, Distanz und Symbolik

Tobias Forge interagiert immer wieder humorvoll mit den Fans, kommentiert Blicke, reagiert auf Rufe, spielt mit der Stimmung – ganz der Entertainer im Gewand des Okkulten.

Bei „Devil Church“ verschwindet er für einen Moment von der Bühne – um mit einer funkelnden Variante seiner Maske zurückzukehren. Als bei „Cirice“ der zweite Vorhang fällt, erscheint eine majestätische Kulisse: gotische Fenster, leuchtend und erhaben.

„Darkness at the Heart of My Love“ wird zu einem fast intimen Moment. Dann folgt die Doppelsalve „Satanized“ und „Ritual“ – zwei wuchtige, hymnische Meilensteine der Bandgeschichte.

Die neuen Töne und der große Reigen

Mit „Umbra“ schlagen Ghost ruhigere, 80s-inspirierte Töne an – atmosphärisch, zurückgenommen. „Year Zero“ bringt die Arena erneut zum Beben. Und dann: „He Is“ – ein Moment der kollektiven Gänsehaut, getragen von tausenden Stimmen.

„Rats“ verwandelt den Innenraum in ein interaktives Spiel aus Blicken, Bewegungen, Refrains. „Kiss the Go-Goat“ bringt Retrovibes – dann geht es mit „Mummy Dust“ in den Höhepunkt der Inszenierung.

Nicht nur Flitter regnet von der Decke – auch fiktive 666-Dollar-Scheine mit dem Antlitz des Papstes des Abgrunds. Und als sich einige davon auf der Bühne verirren, lässt Forge trocken grinsend „seinen Jünger Kaufmann aus New York“ antreten: „Er ist okay.“ Ausgestattet mit einem Laubbläser fegt er die Scheine vom Podest – damit wirklich alle im Publikum landen. Theater trifft auf Humor, und Ghost bleibt Ghost.

Der finale Schlag – zwischen Tanz und Trance

„Monstrance Clock“ beendet den Hauptteil der Show wie eine düstere Prozession. Doch die Audienz ist noch nicht vorbei. Die Zugabe beginnt mit „Mary on a Cross“ – magisch, getragen, gefeiert.

„Dance Macabre“ bringt Euphorie, Bewegung, Erlösung. Und „Square Hammer“ setzt den finalen Akzent – wuchtig, präzise, ikonisch. Unterstützt von dezenten, aber effektvollen Feuerfontänen im Bühnenhintergrund. Kein überzogener Pyro-Einsatz – sondern: Maß, Stil, Timing.

Keine zweite Zugabe. Kein pathetischer Abschied. Nur: Stille.

Theater des Sakralen

Ghost haben in Hannover ein Gesamtkunstwerk präsentiert – durchinszeniert, doch nie steril. Emotional, aber nie pathetisch. Zwischen Rockshow, Sakralkunst und bizarrer Burlesque haben sie bewiesen, warum sie zu den faszinierendsten Live-Acts unserer Zeit zählen. Papa V Perpetua führt die Band mit einem Charisma, das seinesgleichen sucht – zwischen Messdiener, Kabarettist und Antipapst.

Dass die Show fast ohne Handys, ohne exzessive Pyros, ohne grelle Effekte auskam, war kein Verlust. Im Gegenteil: Eine Phone-Free-Show ist ungewohnt – aber genau deshalb so intensiv. Der Verzicht öffnet Räume für echte Präsenz. Für Gespräche vor dem Konzert. Für Hände statt Displays. Für Emotion statt Ablenkung.

Ein großartiger Abend. Ein außergewöhnliches Erlebnis. Und vielleicht der Anfang einer neuen Konzertkultur.

Setlist – Ghost, ZAG Arena Hannover, 15. Mai 2025

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Erste Bilder des Abends (weitere folgen)

 

 
 
 
 
 
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